In der Mischna steht es zum Monat Aw:

„Am 9. Aw wurde über unsere Väter beschlossen, dass sie nicht in das Land einziehen dürfen. Der Tempel wurde zum ersten und zum zweiten Mal zerstört, Betar wurde eingenommen und die Stadt [Jerusalem] wurde umgepflügt“. (Taanit 4:6)

Die Zeit zwischen dem 17. Tammus und dem 9. Aw war stets eine Zeit des Unglücks und Unheils für das jüdische Volk. Die Zahl der tragischen Schicksalsschläge, die mit Tischa beAw (den 9. Aw) verbunden sind, hat sich im Laufe der Geschichte erhöht: Papst Urban II. rief 1096 n. d. Z. den Ersten Kreuzzug aus und unzählige Juden wurden in der Folge bei Überfällen durch Kreuzzügler ermordet; mit dem Alhambra-Edikt 1492 kulminierte in Spanien und Portugal die Ausweisung der Juden, Großbritannien und Russland erklärten 1914 Deutschland den Krieg, dessen ungelöste Fragen zum Zweiten Weltkrieg und zur Schoa führten. Dies, um nur einige zu nennen.

Im Judentum ist der 9. Aw ein Fasttag, an dem über diese verhängnisvolle Ereignisse getrauert wird. Vor allem jedoch ist Tischa beAw ein Fasttag, der an die Zerstörung der beiden Tempel von Jerusalem erinnert.







Das Fasten von Tischa beAw ist dem von Jom Kippur ähnlich. Es beginnt bereits am Vorabend und dauert ca. 25 Stunden. Bei der Mahlzeit vor dem Fasten (Se‘uda Mafseket) essen wir traditionell zusätzlich ein hartgekochtes Ei, das mit Asche bestäubt wurde – Zeichen der Trauer in Erinnerung an die Asche des Tempels. Danach essen und trinken wir nicht, baden nicht, tragen keine Lederschuhe und begrüßen einander auch nicht. Wir meiden strikt jede Freude und Vergnügen.

In der Synagoge ist aller Schmuck entfernt, auch der Vorhang vor dem Aron haKodesch. Nach dem Abendgebet sitzen wir auf den Boden oder auf einen niedrigen Hocker. Bei schwachem Licht hören wir die Lesung der Ejcha-Rolle (Klagelieder Jeremias) und einige Trauergesänge (Kinot). Am Ende des Gottesdienstes verlassen wir grußlos die Synagoge. Beim Morgengottesdienst (Schacharit) lesen wir Ejcha-Rolle und Kinot noch ein zweites Mal. Am 10. Aw essen wir zwar wieder, halten uns jedoch bis in die Nachmittagsstunden an die Einschränkungen der Tage vor dem 9. Aw.